Was ist eine humangenetische Beratung?
Eine humangenetische Beratung informiert über die Veranlagung zu Krankheiten und Gendefekten.
Wird das Deletionssyndrom 22q11 oder das Duplikationssyndrom 22q11 vermutet, (zum Beispiel durch einen auffälligen Befund in der Schwangerschaft) können sogenannte humangenetische Beratungsstellen weitere Informationen liefern.
Die Stellen beraten dann unter anderem zu weiteren Testmöglichkeiten oder zu Wiederholungswahrscheinlichkeiten, sollte der Gendefekt in der Familie vererbt worden sein. Steht die Diagnose 22q11 bereits fest, können die Beratungsstellen zur Ursache, voraussichtlichen Entwicklungsverläufen sowie therapeutischen Maßnahmen beraten.
Die humangenetische Beratung kann des Weiteren bei folgenden Themen in Anspruch genommen werden:
- Verdacht auf erblich bedingte Krankheiten
- Unerfülltem Kinderwunsch
- Mehreren Tod- oder Fehlgeburten
- Auffälligkeiten in der Schwangerschaft
- Entwicklungsstörung oder Krankheit eines Kindes
- Verdacht auf Entwicklungsstörung eines ungeborenen Kindes
WICHTIG: EINE HUMANGENETISCHE BERATUNG IST IMMER FREIWILLIG.
Humangenetische Beratung und Schwangerschaft
Während einer Schwangerschaft können vorgeburtliche Untersuchungen Aufschluss darüber geben, ob Ihr Kind den Gendefekt Deletionssyndrom 22q11 oder das Duplikationssyndrom 22q11 trägt. Spezialisierte Gynäkologinnen und Gynäkologen können mit hochauflösenden Geräten eine Ultraschall-Feindiagnostik vollziehen und nach organischen Auffälligkeiten, beim Ungeborenen schauen.
Auch mit Hilfe einer Chromosomenanalyse kann gezielt nach bestimmten genetischen Erkrankungen des Babys gesucht werden. Das dafür benötigte Zellmaterial wird in einer Amniozentese oder einer Chorionzottenbiopsie gewonnen.
Bei der Amniozentese wird per Punktion durch die Bauchdecke der Schwangeren Fruchtwasser entnommen. Das Fruchtwasser enthält Zellen des ungeborenen Kindes, die dann untersucht werden können.
Bei der Chorionzottenbiopsie werden ebenfalls mit einer dünnen Kanüle von der Bauchdecke aus Zellen, diesmal aber des Mutterkuchens; (der Plazenta) entnommen um anschließend die Chromosomen untersuchen zu können.
In der Schwangerschaft kann die humangenetische Beratung bei der Entscheidung für oder gegen weitere pränatale Diagnostik helfen.
Wer führt eine humangenetische Beratung durch?
Fachärzte für Humangenetik sowie Fachärzte mit der Zusatzbezeichnung Medizinische Genetik führen sowohl in niedergelassenen Praxen als auch an Universitäten humangenetische Beratungen durch.
Ablauf und Umfang der Beratung
In der Regel dauert eine genetische Beratung etwa 2–3 Stunden. Zu Beginn wird zunächst das persönliche Anliegen, der Grund für die Inanspruchnahme der Beratung, erfragt und das Beratungsziel geklärt. Im Verlauf werden vorliegende Arztberichte besprochen, gegebenenfalls genetische Untersuchungen (z.B. DNA-Analyse aus einer Blutprobe) durchgeführt und die Ergebnisse bewertet.
Im nächsten Schritt wird die individuelle Krankengeschichte erfragt und ein Familienstammbaum über mindestens drei Generationen erstellt, bei dem die in der Familie aufgetretenen Erkrankungen erfasst werden.
Es ist hilfreich ärztliche Befundberichte zum Termin mitzubringen.
In seltenen Fällen kann eine körperliche Untersuchung notwendig sein. Am Ende wird durch die Beratung eine Einschätzung über, mögliche (Verdachts-) Diagnosen, Erbgänge, Erkrankungswahrscheinlichkeiten und Wiederholungsrisiken gegeben und ggf. eine genetische Untersuchung empfohlen.
Die genetische Beratung ist ergebnisoffen. Das heißt, dass der Aufsuchende entscheidet, ob eine genetische Untersuchung durchgeführt wird. Die genetische Beratung ist aber eine Voraussetzung für die genetische Untersuchung!
Wie wird der Gendefekt diagnostiziert?
Bei Verdacht auf eine entsprechende Chromosomenveränderung kann ein FISH-Test (Floureszenz-Insitu-Hybridisierung) oder eine lichtmikroskopische Chromosomenanalyse durchgeführt werden. Diese beiden Methoden sind die Standardmethoden der pränatalen Diagnostik chromosomaler Störungen.
Des Weiteren gibt es die sogenannte Array-CGH- eine Untersuchungsmethode mit der das gesamte Genom auf Veränderungen hin untersucht werden kann. Hierbei wird eine deutlich höhere Auflösung als bei der Chromosomenanalyse erzielt und es können wesentlich mehr Informationen als bei den FISH-Tests, erhoben werden
In Verbindung mit der parallel durchzuführenden herkömmlichen Chromosomenanalyse bietet die Array-CGH die aktuell bestmögliche Information über den Chromosomenzustand.
Wer bezahlt eine humangenetische Beratung?
Die humangenetische Beratung ist eine Regelleistung der gesetzlichen Krankenkasse. Somit werden alle Untersuchungen, für die ein Anlass besteht, von der Krankenkasse bezahlt.
Die privaten Krankenversicherer kommen in der Regel ebenfalls für die Kosten auf. Die Klärung der Kostenübernahme durch die private Krankenkasse vorab vorzunehmen ist jedoch ratsam.
Recht auf Nichtwissen / Gendiagnostikgesetz
Gentests und Genanalysen dürfen nur vorgenommen werden, wenn die betroffene Person darin eingewilligt hat. Diese Einwilligung beinhaltet die Entscheidung über:
- den Umfang der genetischen Untersuchung und
- ob und inwieweit das Ergebnis der Untersuchung mitgeteilt werden soll oder zu vernichten ist (§ 8 Abs. 1 GenDG).
Vor der Einwilligung muss die betreffende Person über die Bedeutung und Tragweite der genetischen Untersuchung aufgeklärt werden (§ 9 Abs. 1 GenDG). Aufgeklärt werden muss die Person dabei aber auch über ihr Recht auf Nichtwissen (§ 9 Abs. 2 Nr. 5 GenDG).
Das Recht auf Nichtwissen, auch als Recht auf Unwissenheit bezeichnet, schützt Patientinnen und Patienten davor, Informationen über ihren Gesundheitszustand zu bekommen, die sie nicht haben wollen und die sie in ihrer Lebensführung beeinträchtigen könnten. Um dies zu gewährleisten, steht jedem Menschen die Wahl offen, über die eigene gesundheitliche Lage in allen Einzelheiten aufgeklärt zu werden oder nicht.
Wichtig ist das Recht auf Nichtwissen vor allem bei Erkrankungen, die zwar diagnostiziert werden können, aber nach dem derzeitigen Stand der Medizin nicht heilbar sind. Auch bei den vorgeburtlichen (pränataldiagnostischen) Untersuchungen in der Schwangerschaft spielt das Recht auf Nichtwissen eine bedeutende Rolle. In Deutschland wird das Recht auf Nichtwissen als besondere Ausprägung des Persönlichkeitsrechts angesehen und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung zugeordnet.